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Archaeologiai Értesítő 134 (2009) 81–90 © Akadémiai Kiadó, Budapest DOI: 10.1556/ArchÉrt. 134.2009.5 BEINSCHNITZEREI IN INTERCISA LÓRÁNT VASS* Die vorliegende Studie behandelt die Knochenindustrie von Intercisa. Eine große Anzahl von Knochenfunden kam in Intercisa zum Vorschein, deren Herstellung, Funktion, Verzierung und die eventuelle Kundschaft vorgestellt wird. Es wird versucht, die Zusammenhänge zwischen den allgemeinen Tendenzen des Herstellungsprozesses und der Eigenheiten der Knochenindustrie aufzudecken. Stichwörter: Pannonia, Intercisa, Knochenindustrie, Kundschaft, Produkte Intercisa war ein höchst wichtiger Standort des Grenzschutzes von Pannonia. Ungeachtet der strategischen Wichtigkeit und des blühenden Wirtschaftslebens hat der vicus, der um das Auxiliarlager entstand, niemals den Rang einer Stadt erhalten, obwohl seine Sachkultur viel abwechslungsreicher und bedeutender war als die anderer vici oder in vielen Fällen einzelner Siedlungen vom Rang einer Stadt. Die großen Mengen in Intercisa gefundener Beingegenstände zeugen ebenso wie die Gegenstände aus anderem Material von blühendem Wirtschaftsleben und einer ständigen und – ethnisch, gesellschaftlich – vielfältigen Auftraggeberschicht, die zu einer in Fachzweige gegliederten Produktion großen Maßstabes führten. Mit Rücksicht auf den Umfang ist das Ziel vorliegender Studie die Aufarbeitung des mannigfaltigen Beinmaterials nach gewissen Gesichtspunkten und nicht deren erschöpfende typologische Behandlung. Die Grundlage der Auswertung der Beingegenstände bilden die bisher veröffentlichten und die unveröffentlichten Stücke (sie werden in nächsten Zukunft publiziert), es kommen aber nur die im Museum von Dunaújváros befindlichen, noch unveröffentlichten Gegenstände vor. Da ein bedeutender Anteil der Schnitzereien Ergebnisse der für die Produktion im Reich typischen Serienherstellung sind, konzentriert sich die Analyse auf die die Produktion regelnden und beeinflussenden Wirtschaftsfaktoren (Angebot, Bearbeitungstechniken, Verzierungsverfahren, Tradition, Mode). Das Hauptziel der Studie ist also die Darstellung der allgemeinen und individuellen Faktoren, die dem Intercisaer Beinbearbeitungsgewerbe seine spezifischen Merkmale verleihen, und dabei die Aufdeckung neuer Aspekte der pannonischen Beinschnitzerei. * 1 Lóránt Vass. Universitatea Babeș–Bolyai, Catedra de Istorie antica și arheologie. Cluj-Napoca, Str. C. Daicovociu, nr. 2. 400020 Romania. Die Fundstellen der Beinschnitzereien Das Intercisaer Beingewerbe vertreten ca. 560 Beingegenstände, obwohl es sehr schwierig ist, die genaue Zahl der Stücke zu schätzen, da die Beingegenstände in den Sammlungen des Ungarischen Nationalmuseums1 und des Dunaújvároser Museums sehr verstreut sind. Auf Ein großer Teil der aus Intercisa stammenden Gegenstände im Ungarischen Nationalmuseum ist veröffentlicht: BÍRÓ 1994, Kat. 27–29, 37–42, 43, 45, 46, 75, 77, 87, 88, 110, 115–120, 82 LÓRÁNT VASS Grund der archäologischen Ausgrabungen in verschiedenen Perioden und mit unterschiedlichen Methoden2 kann nur von der Hälfte der Beingegenstände die topografische Einheit genannt werden, aus der sie stammen. Der größte Anteil der Gegenstände mit bekannter Fundstelle stammt aus dem vicus und innerhalb seines Bereiches vor allem vom Bauplatz des Wasserturmes. Ein Teil der Gegenstände wurde in den Gräberfeldern als Beigaben oder Bestandteile der Kleidung gefunden. Die überwiegende Mehrheit von ihnen kann ins 4. Jahrhundert n. Chr. datiert werden, und das ist wahrscheinlich mit den veränderten Bestattungsbräuchen (der Verbreitung der Erdbestattung) und der demzufolge besseren Erhaltung der Gegenstände zu erklären. Ein gewisser Anteil der Beingegenstände wurde im Bereich des castellum eingesammelt (Abb. 1). Abb. 1. Die Fundstellen der Beingegenstände3 Die Spezifiken des Intercisaer Beingewerbes Die schwerste Aufgabe bei der Untersuchung der Beingegenstände ist im Allgemeinen der Nachweis und die Lokalisierung der Herstellungswerkstatt. Die überzeugendsten Beweise für eine über den Rahmen des Hausgewerbes hinausgehende Beinwerkstatt sind die bei der Bearbeitung verworfenen, misslungenen Exemplare, zurückgebliebene Rohmaterialabfälle bzw. Halbfertigprodukte. Ihre Untersuchung wirft 2 3 122, 124–126, 130, 144, 169, 170, 180–185, 198–200, 213, 236, 238–240, 242–245, 268, 285, 286, 289, 290, 297, 300–302, 306, 310, 311, 322, 327, 340, 342, 344–349, 360, 365, 366, 367, 379, 382, 396, 428, 432, 442, 457, 460, 463, 464, 465, 471, 482, 504, 506, 507, 510, 512, 524, 565, 566, 567, 598, 599, 628, 631, 676, 691, 721, 841, 845. PAULOVICS 1927; Intercisa I; Intercisa II; B. VÁGÓ 1961; B. VÁGÓ 1969; B. VÁGÓ 1971; VISY 1974. Die Grundlage bei der Erstellung obigen Diagrammes bildeten vor allem die zumeist unaufgearbeiteten Beingegenstände in der Sammlung des Dunaújvároser Museums bzw. die aus Intercisa stammenden, aber im Ungarischen Nationalmuseum befindlichen und bereits veröffentlichten Beingegenstände (s. BÍRÓ 1994). nicht nur ein Licht auf die Rohmaterialauswahl, sondern auch auf die in einer Werkstatt verwendeten verschiedenen technischen Verfahren. Die markanten Bearbeitungsspuren auf den Gegenständen lassen Schlüsse auf den verwendeten Werkzeugbestand zu. Man kann aber auch von den bereits vorhandenen Fertigerzeugnissen ausgehen. Die Konzentration eines Gegenstandstyps identischer Funktion, ähnlicher Gestaltung und Verzierung auf einem engeren Gebiet kann ebenfalls auf die – eine oder mehrere – Beinwerkstätten in der Siedlung hinweisen. Diese Methode hat den Nachteil, dass man auf Grund der Abfälle nur selten bestimmen kann, welche Gegenstandstypen die betreffende Werkstatt produziert hat. Desto mehr Informationen bietet sie dagegen über die Rohmaterialauswahl. Im Fall der Fertigstücke kann man fast unmöglich bestimmen, aus welcher Werkstatt sie stammen. Ágnes Salamon war die Erste, die im Bereich des Intercisaer castellum, und vor allem im Gebäude Nr. 3 (Badehaus), auf die Halbfertigerzeugnisse und Abfälle aufmerksam wurde, 4 unter denen sich auch halbfertige Bogenverstärkungen und Kämme befanden. Auf Grund der Fundzusammenhänge hat sie die Werkstatt ins späte 4. bis ins 5. Jahrhundert datiert und von der Waffengattung ausgehend geglaubt, auf die auf Waffenherstellung spezialisierte Werkstatt einer Gruppe der hunnischen und alanischen foederati gestoßen zu sein.5 Ihrer Ansicht nach hat man die Bogenversteifungen wegen einer längeren Militäreinrichtung lokal produziert, und zwar, weil die zentrale Waffenversorgung diese Waffengattung (Bogen) nicht beliefern konnte. Betrachtet man die von ihr erwähnten Bogenversteifungen aus Intercisa im Ungarischen Nationalmuseum6 oder die im Dunaújvároser Museum, ist zu erkennen, dass sie den auch im römischen Heer benutzten Bogenversteifungen mehr ähneln als denen von hunnischem Typ.7 Unserer Meinung nach können diese Bogenversteifungen und eine chronologische Phase der Tätigkeit der Beinwerkstatt im Lager mit großer Sicherheit ins 3. Jahrhundert datiert werden, als in der Militärfestung die aus Syrien stammende Bogenschützeneinheit cohors Hemesenorum stationiert war. 4 5 6 7 SALAMON 1976, 212. SALAMON 1976, 214. BÍRÓ 1994, Taf. VI/35–39, Taf. VII/40–43. Dies zu unterstützen, waren auch die in den übrigen römischen Provinzen zahlreich gefundenen, übereinstimmenden Bogenversteifungen berufen. PETCULESCU 2002; CIUGUDEAN 1997, Taf. XXX/2–4; MIKLER 1997, Taf. 6/1–4; OBMANN 1997, Taf. 6/35–37; CRUMMY 1995, Abb. 160/4245. BEINSCHNITZEREI IN INTERCISA Große Mengen von halbfertigen Bogenversteifungen sind auch in zwei Militärlagern an der Westgrenze Dacias bekannt, in Porolissum (unpubliziert) und Tibiscum,8 in den Lagern, in denen der numerus Palmyrenorum sagittarium, syrische Bogenschützeneinheiten, stationiert waren. In diesen Fällen kann nicht von Störung der zentralen Waffenversorgung gesprochen werden, weil auf Grund der stratigrafischen Beobachtungen die lokale Produktion der beinernen Versteifungen die gesamte Stationierungszeit der Truppe hindurch kontinuierlich war. J. Oldenstein wies bereits in den 1970er Jahren beim Studium der in Militärlagern am Rhein festgestellten Waffenwerkstätten nach, dass im Römischen Reich im 1.–3. Jahrhundert kaum von zentraler, staatlicher Waffenversorgung die Rede sein kann; die Bewaffnung der Militäreinheit bzw. das Ausrüstungszubehör wurde allgemein in den Lagerwerkstätten hergestellt.9 So entstand auch in Intercisa eine Beinbearbeitungswerkstatt mit Militärcharakter, die der inneren Versorgung des Militärs diente und sich von der Zivilproduktion unterschied, die wiederum ganz sicher auch von der aus dem Orient mitgebrachten Tradition bestimmt war. Interessanterweise finden sich in Intercisa ebenso wie in Porolissum keine Spuren der lokalen Bearbeitung der übrigen Bestandteile der standardisierten Militärausrüstung und Bewaffnung (Schwertriemenschlaufe, Schwertscheidenortband, Schwertgriff), deren Zahl ist sogar relativ klein (einige trapezförmige Schwertscheidenortbänder, zylindrische Schwertgriffe). Wahrscheinlich wurden diese auf dem Importweg beschafft und in der lokalen Beinbearbeitungswerkstatt der als „Verbrauchsartikel“ geltende Waffenbestandteil (Bogenversteifung) produziert. Zudem waren Schwertriemenschlaufen, Schwertscheidenortbänder und Schwertgriffe Teile der persönlichen Bewaffnung, deren Herstellungskosten der Eigentümer tragen musste.10 Da jeder Soldat die für ihn nötige Bewaffnung selber herstellen ließ, gab es für ihre Produktion keinen ständigen Bedarf. Deshalb waren diese Gegenstände weit wert- beständiger und ihre Besitzer achteten auch mehr auf sie. Der schlüssigste Beweis dafür ist das einfache, unverzierte Schwertscheidenortband, auf dessen Vorderseite der Besitzer seinen Namen – ATILIVS ATILIANVS – eingravierte, um sein Eigentumsrecht zu sichern. Zugleich ist es ein klarer Beweis dafür, dass ein wertbeständiger Gegenstand nicht unbedingt vom Marktwert des Rohmaterials abhängt, dass also auch solche billigeren Materialien wie Bein Teile der Thesaurierung sein können. Typologisch gehören die Waffenbestandteile Intercisas zur Gruppe des im ganzen Reich verbreiteten, standardisierten Zubehörs. Die peltaverzierten bzw. die unverzierten trapezförmigen oder runden Schwertscheidenortbänder sind zu den vor allem in den Lagern der rheinischen Provinzen verbreiteten Typen zu rechnen,11 ebenso wie die Schwertgriffe.12 Nach Oldenstein hat sich die Mode des beinernen Zubehörs der militärischen Ausrüstung13 bis zum 3. Jahrhundert unter den am Rhein stationierten Truppen so sehr verbreitet, dass einzelne castra es schon fachspezialisiert produzierten (z. B. in Nida-Heddernheim die Beinwerkstatt für Schwertscheidenortbänder14). Außer der Beinschnitzerei im Lager gab es ganz sicher zumindest eine, wahrscheinlich aber mehrere Beinwerkstätten, die für Zivilbesteller arbeiteten. Das beweist die große Menge von im vicus gefundenen fertigen Beingegenständen sowie die zahlreichen Abfälle und Halbfertigprodukte. Leider ermöglicht die große Streuung dieser Letzteren nicht, die Beinwerkstatt topografisch zu lokalisieren. Das Angebot des Intercisaer Beingewerbes Um das Produktionsprofil der Beinwerkstatt im vicus zu bestimmen, lohnt sich ein kurzer Blick auf die Verteilung der verschiedenen Gegenstandskategorien (Abb. 2). Ebenso wie in den übrigen Provinzen des Römischen Reiches,15 führen auch in Intercisa die Haarnadeln als 11 8 9 10 BENEA 2003, Taf. VII. Große Mengen von fertigen oder halbfertigen beinernen Versteifungen fand man auch in einem anderen Militärlager Dacias, in Micia, wo die cohors II Flavia Commagenorum equitata sagittatorium stationiert war. PETCULESCU 2002, Abb. 1–4. OLDENSTEIN 1976, 76–77. Den neuesten Fachmeinungen nach bildete (eventuell) auch die Waffe einen Teil des Privateigentums und konnte vererbt werden, wie es auch von vielen Papyri belegt wird. NICOLAY 2002, 60; FISCHER 2002, 14. 83 12 13 14 15 DESCHLER-ERB 1998, Taf. 43/4023, 4028–4031; CARNAP BORNHEIM 1994, Abb. 12/30–36, Abb. 13, Abb. 14/54, 58; OLDENSTEIN 1976, Taf. 28/178, 184, Taf. 26/167–168. DESCHLER-ERB 1998, Taf. 40/3996–3999; OBMANN 1997, Taf. 1/7, 8. Die genaueste Analogie des Schwertgriffs mit erhabenem Quadratnetz stammt von Torda: COCIȘ–ALICU 1993, Taf. XVIII/1. OLDENSTEIN 1976, 78–79. CARNAP BORNHEIM 1994, 368–369. BERTRAND 2008, 128; SCHENK 2008, 127; GOSTEČNIK 2006, 63; DESCHLER-ERB 1998, 79; OBMANN 1997, 51; MIKLER 1997, Taf. 28–37; CIUGUDEAN 1997, 18; CRUMMY 1995, 19–26. 84 LÓRÁNT VASS Abb. 2. Verteilung der Gegenstände nach Funktionen beliebteste provinziale Haarzier die Liste an. Unüblich ist allerdings, dass der Anteil der die schönsten und besondersten Exemplare umfassenden abwechslungsreichen Ziernadeln überraschend hoch ist und an Zahl die Exemplare der übrigen Gegenstandskategorien übersteigt (Abb. 3). Diese Gruppe führen wiederum die in einigen Fällen gedrechselten, gut polierten Stücke mit unterschiedlich geformtem geometrischem Kopf an. Es finden sich aber auch die im 3. Jahrhundert in Mode kommenden Haarnadeln mit Zapfenkopf und die für das 4. Jahrhundert typischen Haarnadeln mit Polyederende. Gut repräsentiert sind des Weiteren auch die Gruppen von Haarnadeln, die in einer Frauenbüste, in Tiergestalt, Venus, einer Hand und sogar dem noch als seltener geltenden Fokosch enden. Der Variantenreichtum der Ziernadeln zeigt gut, dass die Siedlung über einen verfeinerten und Abwechslung liebenden Geschmack verfügte. In den übrigen Provinzen oder Siedlungen ist der Anteil im Allgemeinen umgekehrt: Dort kommen die Ziernadeln viel seltener vor. Andere typische Erzeugnisse des Intercisaer Beingewerbes sind die verschiedene Kästchen und Möbel schmückenden beinernen Zierden, die nach den Haarnadeln und den Gebrauchsgegenständen die drittgrößte Kategorie bilden. Der hohe Anteil an Kästchenverzierungen aus Bein ist nicht überraschend, denn auch die bei den Ausgrabungen gefundenen relativ vielen metallenen Kästchenbeschläge16 belegen, dass aus irgendeinem Grund ein sehr großer Bedarf an Kästchen bestand, deren Auflagenschmuckerzeugung, wenn auch nur aus Bein, durch die ständige Kaufkraft gewinnbringend war. Auch Eszter B. Vágó erwähnte bei der Ausgrabung des Gräberfeldes die vielen Kästchenbeschläge und sie glaubte, die unterschiedlichen beinernen Intarsien seien lokale Erzeugnisse. Ihre Produktion schreibt sie der Beinschnitzerwerkstatt im Bereich des castrum zu, deren Produktionsabfälle in einer Abfallgrube gefunden wurden.17 Der größte Teil dieser Kästchenauflagen sind einfache, viereckige, dreieckige oder runde kleine Beinplatten, die mit schön angeordneten Punktkreismotiven verziert sind. Diese Punktkreisverzierung der Kästchenauflagen ist eine Intercisaer Besonderheit. Auf die lokale Herstellung verweist auch die Tatsache, dass sich dafür kaum Analogien im Reich finden ließen.18 In der Kategorie der Möbelbestandteile sind noch der wundervoll gedrechselte Möbelfuß, die birnenförmige Auflage und die kleine Zahl von Scharnierfragmenten zu erwähnen, deren genaueste Analogien aus Augusta Raurica stammen.19 Als ebenso außerordentlich ist die Gruppe der vielen und verschiedenen Anhänger und Amulette zu bezeichnen. Die Amulette sind im Allgemeinen keine Ausdrücke der offiziellen, 16 17 18 Abb. 3. Verteilung der Ziernadeln 19 Intercisa II. Der Grabungsbericht erwähnt ganz kurz die Beinbearbeitungsabfälle in der Abfallgrube. Es wird nicht klar, ob sich unter den Abfällen auch halbfertige oder misslungene Kästchenauflagen befanden. B. VÁGÓ 1969, 167. Die nächsten Analogien der viereckigen Auflagen stammen aus Avenche (SCHENCK 2008, Abb. 131/1082) und NidaHeddernheim (OBMANN 1997, Taf. 14/162–165). Auf den Stücken von Intercisa sind die Punktkreise allerdings anders angeordnet. DESCHLER-ERB 1998, Taf. 51/4454, Taf. 52/4466, Taf. 48/4357. BEINSCHNITZEREI IN INTERCISA kontraktuellen Religion, sondern eines persönlicheren Glaubens (Symbole der Fruchtbarkeit, Behexung, Magie oder des Glücks) und als solche im Allgemeinen kein Teil der standardisierten Produktionslinie des römischen Beingewerbes. Ihre Vielfalt und relativ große Konzentration weisen ebenfalls auf die ethnisch und glaubensmäßig unterschiedliche Bevölkerung der Siedlung hin. Denn unter ihnen finden sich die Charakteristiken der keltischen Ureinwohnerschaft,20 die bei ihr verbreiteten Geweihrosenamulette, die im 3.–4. Jahrhundert auftauchenden, sehr populären Fruchtbarkeitsanhänger vom Herkuleskeulentyp,21 der einfachere Typ der Bärenzähne imitierenden Anhänger, muschelförmige, fassförmige, aber auch so individuelle Stücke wie die sechs fast völlig gleichen Amulette, die einen stilisierten Hahn darstellen und zu einer Halskette gehörten, oder das runde Beinplättchen mit Männerporträt, das nachträglich zum Amulett umgestaltet wurde, wie das an der Nase des Porträts gebohrte Loch beweist. An der lokalen Herstellung der beiden Letzteren besteht kein Zweifel, und beide sind in ihrer Art erfrischende, persönlichere Merkmale der lokalen Beinbearbeitung. Sämtliche anderen Kategorien vertreten im Reich wohl bekannte, standardisierte Typen und umfassen die unterschiedlichen Aspekte des Alltagslebens. Wegen der Raumbeschränkung halten wir die Nennung der vielen Analogien für überflüssig und statt dessen konzentrieren uns vor allem auf die typischen Erzeugnisse des Intercisaer Beingewerbes. Die Spezifiken des Intercisaer Beingewerbes sind noch auffälliger, wenn wir sie aus der Sicht der pannonischen Beinproduktion untersuchen. Vergleichen wir das Angebot von Dunaújváros mit den Beinerzeugnissen der beiden, in Charakter und Entwicklung verschiedenen Siedlungen, Brigetio und Gorsium (s. auch Tabelle 1 und 2). Zwar gibt es auch in Intercisa das Zubehör von Ausrüstung und Bewaffnung, mengenmäßig aber nicht annähernd mit dem Anteil, den die Gegenstände ähnlichen Charakters in Brigetio ausmachen. Das Profil des Beingewerbes von Brigetio wird von dem starken Militärcharakter der Siedlung bestimmt, und mit ihm ist auch zu erklären, dass in den Anfangsphasen der Sied- 20 21 DESCHLER-ERB 1998, 170; MIKLER 1997, Karte 5. Auch der Anhänger vom Herkuleskeulentyp war im Reich allgemein verbreitet; s. DESCHLER-ERB 1998, Taf. 40/3993; PETKOVIČ 1995, Taf. XXVIII/1–4; COCIȘ–ALICU 1993, Taf. XVI/3. 85 Tabelle 1 Beingewerbe von Brigetio Typische Erzeugnisse Zubehör der Militärausrüstung Technische Verfahren Periode 1.–2. Jh. Drechseln, vor allem Import Haarnadeln (mit Vogelfigur), 2.–3. Jh. Musikinstrumente Handschnitzerei, Drechseln Kämme, Armbänder, Haarnadeln 4. Jh. Handschnitzerei, Punktkreisverzierung, Netzmotiv Tabelle 2 Beingewerbe von Gorsium Typische Erzeugnisse Technische Verfahren Periode Haarnadeln (vor allem mit Zapfen und Tierfigur), Kleiderheftnadeln, Unguentarien, Spatel 1.–3. Jh. Drechseln, Handschnitzerei Ziernadeln (mit großem Kugel- und Polyederkopf), Kämme, Armbänder 4. Jh. Handschnitzerei, graviertes Netzmotiv, Punktkreisverzierung lung das Zubehör der vor allem aus Importwaren bestehenden Militärausrüstung das Angebot des Beingewerbes bildet.22 In Brigetio ist – ebenso wie in Gorsium und Intercisa – die wirklich umfangreiche Produktion ins 2.–3. Jahrhundert zu datieren, als sich das Angebot standardisiert und überall im Reich die Gruppe der Haarnadeln als Erzeugnistyp mit dem größten Profit den ersten Platz einnimmt. Während in Brigetio die Haarnadeln mit Vogelfigur23 und in Gorsium die mit Zapfen und mit Tierfigur als Spezifiken des lokalen Beingewerbes gelten,24 kommen in Intercisa alle drei Typen gleicherweise vor, und innerhalb der Gruppe der Haarnadeln ist der Anteil der Ziernadeln sogar auffällig hoch. Unter den für Brigetio typischen Erzeugnissen sind noch die Musikinstrumente zu erwähnen,25 wogegen das Gewerbe von Gorsium in dieser Periode durch den großen Anteil von Kleiderheftnadeln und Unguentarien gekennzeichnet wird.26 In Inter- 22 23 24 25 26 BÍRÓ 1987a, 154. BÍRÓ 1987a, Abb. 15/76–78. BÍRÓ 1987b, Abb. 22/193, Abb. 32/299. BÍRÓ 1987a, Abb. 10. BÍRÓ 1987b, 59–60. 86 LÓRÁNT VASS cisa ist der Anteil dieser Gegenstände – mit Ausnahme der Musikinstrumente – dagegen minimal. Technische Verfahren Bei der Bearbeitung der Intercisaer Beingegenstände arbeitete man mit den im ganzen Reich bekannten, gut bewährten Techniken. Handwerkszeug und Drechselbank wurden bei der Bearbeitung benutzt, jeweils dem gewünschten Ziel entsprechend. Auf Grund der Bearbeitungsspuren auf den Fertigerzeugnissen bzw. den halbfertigen Stücken wurde versucht, die verschiedenen Techniken und das Werkzeug zu rekonstruieren. Jede Bearbeitungsphase beginnt mit der Säuberung bzw. Vorbereitung des Rohmaterials. Der Knochen wird im Allgemeinen in Stücke geschnitten, nachdem die unverwendbaren Teile (Epiphysen) vom zu bearbeitenden Teil (Diaphyse) abgeschnitten wurden. Für diese Vorbereitungsphase der Beinbearbeitung haben wir leider keinen Beweis. Wie beim Knochen, wird auch das Geweih dem Zweck entsprechend in mehrere Stücke geschnitten, im Allgemeinen mit einer grobzähnigen Säge, was sich in dichten, parallelen und tiefen Einschnitten zeigt (86.1.12). Wie sich auch an den Intercisaer Werkstattabfällen gut beobachten lässt, werden mit scharfer Säge – wegen der Dichte des Materials – Einschnitte von mehreren Seiten vorgenommen und die Stücke zum Schluss abgebrochen (84.36.29; 91.215.1; 77.95.57). Auf die Stärke des Geweihs als Rohmaterial verweisen jene missglückten Einschnittversuche, wenn mit der scharfen Säge auf einer Seite ein tiefer Einschnitt vorgenommen wurde, aber wegen dem nicht entsprechenden Schnittwinkel das Stück nicht abgeschnitten werden konnte (84.36.29; 91.268.2), so dass ein neuer Einschnitt erforderlich wurde. Nach der Entfernung der ungeeigneten Teile wird der Knochen dem zu schaffenden Gegenstand entsprechend in unterschiedlich große und geformte Teile zerschnitten oder gespalten, wozu allgemein ein Messer benutzt wurde. S. Deschler-Erb weist darauf hin, dass für die kleineren, zylindrischen Gegenstände, wie Haarnadeln, Nähnadeln bzw. Spinnrocken, die gesäuberte Diaphyse in verschiedene, längere Stücke aufgespalten wird27 (91.416.1; 84.7.7; 91.226.1), die 27 DESCHLER-ERB 1998, Abb. 157. dann durch Facettierung, üblicherweise mittels Feile oder Graviereisen, weiter bearbeitet werden. Das ist bei einem auf die lokale Herstellung der Haarnadeln verweisenden Halbfertigerzeugnis der Fall, an dem die Zeichen der Oberflächenbearbeitung mittels Graviereisen gut zu beobachten sind (84.22.7). Die winzigen, Paralleläderung ergebenden Feilenspuren finden sich vor allem auf Kugelkopfhaarnadeln und bei den Geweihgegenständen am meisten auf den Reflexbogenversteifungen. Im Fall der Letzteren wird die Feile nicht so sehr für die Oberflächenbehandlung als vielmehr bei der Kantenretuschierung der Versteifung gebraucht. Es gibt fast kein Stück in der Intercisaer Sammlung ohne Spuren der Oberflächensäuberung mittels Feile. Auf Grund der Feinheit der von der Feile verursachten flachen, parallelen Linien kann auch auf den Werkzeugbestand der Werkstatt geschlossen werden. Während für die kleineren, feineren Gegenstände (Haar- und Nähnadeln) die fein geäderte Feile verwendet wird, verrichtet man die Säuberung der harten und rauen Geweihoberfläche mit einer groben, massive Adern hinterlassenden Raspel (86.1.12; 84.36.29; 77.95.57; 84.36.52). Für die kleineren, massiveren Stücke (Spielwürfel, Spielscheiben) sägt man aus der Diaphyse den künftigen Gegenstand aus, der dann ebenfalls mittels Messer oder Feile bearbeitet wird. Die größeren, hohleren Gegenstände (Parfüm- und Salbendosen) werden entweder durch Bearbeitung der ganzen Diaphyse – ihre hohle Struktur ausnutzend – oder eines quer abgesägten Teils von ihr geschaffen. Der größte Teil der Beingegenstände der Intercisaer Sammlung wurde mit Hilfe des bisher genannten Handwerkzeugs hergestellt, aber es gibt einen erheblich großen Anteil an auf Drechselbank bearbeiteten Gegenständen, die auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein wichtiges Element des Intercisaer Beingewerbes sind. Die vorhandene Drechselbank wiederum weist auf eine zentrale, institutionalisierte Beinbearbeitungswerkstatt hin, denn wirtschaftlich wird die Benutzung einer derartigen mechanischen Maschine erst profitabel, wenn dauernder Bedarf vorliegt und ein Raum für sie existiert. Auf der Drechselbank wurden im Allgemeinen solche ergänzenden Gegenstände und Zubehör gefertigt, die Ebenmaß und Genauigkeit verlangten. Derartige Gegenstandstypen sind die Möbelscharniere, bei denen sehr wichtig ist, dass ihre verschiedenen Elemente genau ineinander passen. Das ist im Fall von Gegenständen derselben Größe, Dicke und Form möglich, weshalb die Benutzung der Drechselbank so wichtig war. BEINSCHNITZEREI IN INTERCISA Außer den Möbelscharnieren wurden in Intercisa Möbelfüße, Schwertgriffe, Ziernadeln und – in größter Zahl – Spielscheiben gedrechselt. Das kleine, regelmäßige Loch in der Mitte der Spielscheiben ist die Spur des Einspannens des Gegenstandes in die Drechselbank. Ein anderes, recht besonderes Werkzeug des Intercisaer Beingewerbes ist eine Variante des Bogenbohrers, ein mechanisches Werkzeug, mit dem man ähnlich regelmäßige und genaue Löcher bohren kann. Seine Spur findet sich meist am Öhr von Nähnadeln sehr guter Ausführung. Durch die Rekonstruktion von S. Deschler-Erb28 wissen wir, dass der Gegenstand wie bei der Drechselbank eingespannt wird und man den mit scharfem Drehkopf versehenen handbetriebenen Bohrer auf beiden Seiten einführt, bis die Bohrungen beider Seiten sich vereinen. Auf diese Weise entsteht ein langes, viereckiges, regelrechtes Loch, das sich wahrscheinlich für die Aufnahme dickfaseriger Materialien eignete, wie sie etwa für die Lederverarbeitung nötig waren. Interessanterweise haben alle Intercisaer Nähnadeln ein langes, viereckiges Öhr, anders als das mit der Hand ausgehöhlte Achteröhr in den römischen Provinzen. Dies weist gewiss auf irgendeine besondere Textil- oder Lederbearbeitungstechnik hin, bei der das lange Nadelöhr unverzichtbar war. Verzierung Die Verzierung der Intercisaer Beingegenstände ist sehr abwechslungsreich. Man kann die Verzierungen nach den Motiven, dem Formenschatz bzw. der technischen Ausführung gruppieren. Wenn wir den technischen Bereich der Verzierung untersuchen, stellen wir fest, dass man den größten Teil der Verzierungen mittels Gravierung mit dem Messer oder Oberflächenritzungen manuell vorgenommen hat. Die einfachste Zierform, mit scharfem Messer in die Oberfläche eingeschnittene konzentrische Kreise, schmücken viele Stücke, aber das wirklich typische Ziermotiv, auf Grund dessen man sogar von einem „Intercisa-Stil“ sprechen könnte, ist das tief eingeschnittene Netzmotiv aus einander kreuzenden Linien. Das Netzmotiv ist das allgemein verbreitete Ziermuster der römischen Beinschnitzereien, es beschränkt sich auf den Schnitzereien der übrigen Provinzen aber vor allem auf die Verzierung der Haarnadeln mit Zapfenkopf. In Intercisa findet es sich in fast jeder Form und auf allen Oberflächen: auf Haarnadeln mit Zapfenkopf, auf die Herkuleskeule imitierenden Amuletten, auf den Kleiderfalten der Frauenbüsten, auf einem Schwertgriff, was überaus selten ist, und auch auf einfachen Haarnadeln und Arbeitsgeräten. Man kann fast ohne Übertreibung behaupten, dass diese Art von „Besessenheit“ der Oberflächenverzierung eine Eigentümlichkeit des pannonischen Beingewerbes ist. In Dacia findet sie sich fast gar nicht. Innerhalb von Pannonien ist der Barock des eingeritzten Netzmotivs noch in Gorsium nachzuweisen,29 wo die so verzierten Gegenstände Erzeugnisse der Spätperiode sind. Auch in Intercisa werden diese Mode wahrscheinlich die ethnischen, wirtschaftlichen und kulturellen Veränderungen der allgemeinen Verarmung im 4. Jahrhundert hervorgerufen haben. Eine andere charakteristische Verzierungstechnik ist für Beingegenstände eher untypisch: Es handelt sich um das die geschnittenen Glasverzierungen imitierende Verfahren, das aus winzigen oberflächlichen, flachen Gravierungen besteht. Ein typisches Beispiel dafür ist die beinerne Scheibe mit Männerporträt, die nachträglich an der Nase des Mannes durchbohrt und als Amulett benutzt wurde. Ein anderes schönes Beispiel dieser Graviertechnik ist der Griff mit einem Früchte pickenden Vogel,30 bei dem die Weinbeeren mit den gut bekannten Punktkreismotiven ausgearbeitet sind. Dies ist ein guter Beweis dafür, dass es sich bei der Komposition um ein von einem Fachmann genau entworfenes und ausgeführtes, die verschiedenen Ziertechniken meisterhaft verbindendes Stück handelt. Haar und Bart des Mannes mit markanten orientalischen Zügen sind durch winzige dichte Ritzungen bezeichnet, während die Augen aus Punktkreisen bestehen. Die mit einem stabilen Zirkel ausgeführte Punktkreisverzierung ist gleichfalls ein sehr häufiges Zierelement der Intercisaer Beingegenstände. Während sich in den übrigen Provinzen die Punktkreisverzierung vor allem auf die Zähler der Spielwürfel beschränkt, werden in Intercisa mit ihr oft die verschieden geformten Kästchenauflagen geschmückt, aber es gibt auch einen beinernen Griff, der dicht mit diesem Motiv bedeckt ist. Das Punktkreismotiv ist auch das zentrale Zierelement der Fassung von vielen Beinkämmen. 30 28 29 DESCHLER-ERB 1998, Abb. 162. BÍRÓ 1987b, Abb. 32/297, 298, Abb. 36/403, 405. 87 Ein Stück mit ähnlicher Komposition wurde auch in Mainz gefunden. Dort sind die Ziermotive aber gemalt. MIKLER 1997, Taf. 24/1–3. 88 LÓRÁNT VASS Auffällig oft kommen in Intercisa die auch in den westlichen Provinzen bekannten anthropomorphen und zoomorphen Zierelemente vor. Als Schmuck mit Tiermotiven wird am häufigsten Geflügel verwendet. Ein großer Teil der Haarnadeln mit verschiedenen Tierfiguren am Ende stellt Tauben oder Hähne dar. Nur in einem Fall findet sich eine Haarnadel mit einem ziemlich stilisierten Pferdekopf am Ende. Zwar gibt es auch in den übrigen Provinzen vereinzelt Haarnadeln, die in einer Taube oder einem Hahn enden, doch unterscheiden sich die Intercisaer Stücke in stilistischer und technischer Hinsicht deutlich von ihnen. Auffällig ist, dass der Körper der Tauben und Hähne sehr stilisiert, gestreckt und flach ist, höchstens wird das Federkleid durch nachlässig eingeritzte Linien gekennzeichnet. Das kann nicht mit Ungeschicklichkeit der Beinschnitzermeister erklärt werden, denn diese Exemplare sind ausnahmslos vorzüglich poliert, genau ausgearbeitet und in den Relationen stimmig. Viel mehr sind sie das Ergebnis eines bewusst stilisierten, abgeklärten ikonografischen Vorbildes. Dies können auch die sechs vorzüglich polierten, präzis ausgearbeiteten und in der Mitte durchbohrten Hahnenanhänger unterstützen, die ursprünglich Teile einer Halskette waren, was sich aus der Tatsache ergibt, dass diese sechs Schnitzarbeiten an einer Stelle, nebeneinander gefunden wurden.31 Zusammenfassung Das Intercisaer Beinbearbeitungsgewerbe erhält seine Besonderheit durch das Zusammenwirken zweier verschiedener Tendenzen. Einerseits ist ein großer Anteil der Beingegenstände das Ergebnis der für das Reich typischen genormten Produktion: Wie in den übrigen Provinzen und Siedlungen des Reiches, ist auch in Intercisa der am meisten repräsentierte Gegenstandstyp die Gruppe der Haarnadeln als wirtschaftlich pro- 31 Mündliche Information von Zs. Visy, dem auch auf diesem Wege für seine freundliche Hilfe gedankt sei. fitabelstes Beinerzeugnis, wonach ständig Bedarf bestand. Bei den ausgesprochenen Zierhaarnadeln (in Venus oder Frauenbüste endende, Tierfigur- oder Zapfenkopfhaarnadeln) folgt auch das kopierte ikonografische Modell den im Reich allgemein verbreiteten Mustern. Dasselbe gilt für das Zubehör der Bewaffnung, die Möbelfüße und andere Gebrauchsgegenstände, deren zahllose Analogien sich ebenfalls in den übrigen Provinzen finden. Die technische Ausführung und stilistische Einheitlichkeit beweisen, dass die Herstellung von Beingegenständen in Intercisa das Ergebnis einer umfassenden, der „Mode“ im Reich folgenden und durch kontinuierliche Kaufkraft geregelten Produktion war. Auf der anderen Seite zeugen das Angebot des Beinbearbeitungsgewerbes und einzelne individuellere Gegenstandstypen von dem mannigfaltigen und individuellen Geschmack der Siedlung. Der hohe Anteil an Ziernadeln, die häufige Verzierung der Gegenstände, die Beliebtheit der in einem Vogelkopf endenden Haarnadeln oder die vielen mit Punktkreismotiven verzierten Kästchenbeschläge sind Ausdrücke eines individuelleren Geschmacks, bei dem die Empfänglichkeit für Verziertheit das Bestimmende ist. Ebenso sind die Amulette in der Form der stilisierten, aber mit großem Kunsteifer geschnitzten Hähne, der relativ hohe Anteil von Amuletten verschiedener Typen, das mit dem Namenszug versehene Schwertscheidenortband oder die durchbohrte Scheibe mit dem gravierten Männerporträt glänzende Beweise einer persönlicheren Beziehung zu dem Gegenstand. Das hat umso mehr Bedeutung, als im Gegensatz zur allgemeinen Meinung die Beingegenstände – ungeachtet des billigen Materials – für ihre Besitzer von demselben Wert waren wie ihre Pendants aus gleich welchem teureren Material. Das Material des Gegenstandes war also nicht unbedingt mit seinem wirtschaftlichen oder ideellen Wert identisch. BEINSCHNITZEREI IN INTERCISA 89 LITERATUR BEAL, J. CL. 1983 BENEA, D. 2003 Les objets de tabletterie antique du Musée archéologique de Nîmes. Cahiers des Musées et Monuments de Nîmes 2. Istoria așezărilor de tip vici militares din Dacia romană Timișoara (Militaria aus Tibiscum. 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CSONTFARAGÁS INTERCISÁBAN VASS LÓRÁNT Az Intercisában előkerült nagy mennyiségű csonttárgy – akárcsak a más nyersanyag alapú tárgyak – virágzó gazdasági életről, egy állandó és (etnikailag, társadalmilag) változatos megrendelői réteg meglétéről tanúskodnak. Jelen tanulmány célja a változatos csontanyag bizonyos szempontok szerinti feldolgozása, nem pedig ezek kimerítő tipológiai tárgyalása. Tekintettel arra, hogy a faragványok egy jelentős hányada a birodalmi termelésre jellemző standardizált, széria jellegű gyártás eredménye, a csonttárgyak elemzése a termelést szabályozó és befolyásoló gazdasági faktorokra fókuszál (kínálat, megmunkálási technikák, díszítési eljárás, hagyomány, divat). A tanulmány fő célja az intercisai csontipar sajátosságait adó általános és egyedi tényezők bemutatása, ezáltal a pannoniai csontfaragás újabb aspektusainak feltárása. A különböző technikai és díszítési eljárások vizsgálata alapján a csonttárgyak változatos helyi ízlésvilágról árulkodnak. Nagy népszerűségnek örvendtek a különféle technikákkal díszített tárgyak, a személyesebb viszonyt tükröző amulettek, csüngők, a számos ládikarátét. A többi provinciához hasonlóan Intercisa esetében is a hajtűk vezetik a listát mint a legnépszerűbb provinciális hajékek. Szokatlan viszont, hogy a legszebb és legkülönlegesebb példányokat felmutató, változatos dísztűk aránya meglepően magas. A díszesebb hajtűk esetében (Venusban, női büsztben végződő hajtűk, állatalakos hajtűk, tobozfejű hajtűk) a leképezett ikonográfiai modell a birodalomban általánosan elterjedt mintákat követi. Ugyanez érvényes a fegyverzet tartozékaira, a bútorlábakra és más használati tárgyakra, amelyekhez szintén számtalan analógiát találunk a többi provinciában. Ugyanakkor létezik egy olyan tárgycsoport is, amelynek elemei túlmutatnak a rideg termelési folyamaton, és egy személyesebb viszony, a tárgyhoz fűződő személyes kötődés ékes bizonyítékai: ilyenek a stilizált, de nagy műgonddal kifaragott kakasamulett és egyéb, különböző típusú amulettek, a névjeggyel ellátott kardhüvelykoptató vagy a vésett férfiportrét ábrázoló átfúrt korong.